Flucht nach Norden

Mittwoch:

Die Nacht hat es durchgeregnet. Inzwischen ist die Luftfeuchte auf 95% gestiegen. Nach dem üblichen Frühstück beschließe ich Richtung Norden zu fahren. Das Regenradar zeigt dort noch Lücken an. Der Vorteil der Autofahrt ist die trockene Luft im Auto, dank Klimaanlage. Die Scheibenwischer packen teilweise den Regen nicht. Im Radio kommt von der Zivilschutzbehörde eine Hurrikan-Warnung nach der anderen. Ab in Richtung Hilo. Dort ist das Wetter noch gut. Aber das ist relativ: Die Sonne knallt dermaßen vom Himmel, dass man bei dieser Luftfeuchte nur im Schatten überleben kann. An der Beachfront von Hilo, gleich in der Nähe der Hafenanlagen traue ich meinen Augen nicht: Da schwimmen tropische Fische aus der Zoohandlung! Na wenn an diesem, wenig einladenden Ort schon solche Tiere zu finden sind, wie ist das erst bei einem Beach Park? Vielleicht gibts dort ja Meeresschildkröten! Das Navi lotst mich zum nächsten Strand, wo ein paar Einheimische angeln und einem Surfer zusehen, der sich bei High Surf versucht. Man kommt ins Gespräch – man angelt hier (und isst auch) Tropenfische wie bei uns inder Zoohandlung – bis mir der eine einen Zigarettenstummel anbietet, der nicht danach aussieht als ob Tabak der einzige Bestandteil des Glimmstengels sei. Sieht man hier nicht so eng. Auf Hawaii darf man im Übrigen auch ohne Helm Motorrad fahren und das machen sie auch… nur Sonnenbrille muss man tragen! Kann gegen Abend und Nachts zu einem Problem werden! Nachdem ich die Einladung neben high surf auch noch andere highs zu erleben, ausgeschlagen habe, mache ich mich auf zum nächsten Beach Park. Da muss man erst mal durch Tropengehölz kriechen. Ich sehe mich schon voller Blutegel. Tatsächlich finde ich aber nur einen Gekko und keine Meeresschildkröte, sehe aber, dass die Saddle-Road zur Westküste wolkenfrei ist. Von dort aus eine Rundfahrt nach Norden – das wärs. Los geht’s und es wird wieder deutlich, warum Big Island einfach unglaublich ist. Auf Meereshöhe fährt man im Tropenklima los und durchquert mit jedem Höhenmeter andere Klimazonen. Auf dem Sattel auf 2033m über dem Meer ist es dann fast schon kühl. Links gehts zur Wetterstation auf den Mauna Loa. Nur der Straßenzustand (und der damit verbundene Autoversicherungsschutzverlust) hält mich davon ab, mit meinem Nissan auf 3397m Höhe zu fahren. Statt dessen fahr ich rechts Richtung Mauna Kea, dessen Gipfel das ein oder andere Großobservatorium trägt. Genau dagegen demonstrieren die First Nations auf Hawaii. Ein paar von ihnen treffe ich am Endpunkt meiner Bergtour. Von dort an gehts offiziell nur noch mit 4WD weiter. Auch das Wetter rät dazu, lieber wieder runterzufahren. Ich fahr nach Waimea. Alles total grün, aber eher die englische Art von Grün, mit Viehwirtschaft und nicht das Brasiliengrün der Ostküste. Ich bin auf der Suche nach etwas Essbarem. Vor mir an der Ampel steht ein Wagen mit interessantem Nummernschild: Korea Veteran. Warten wir’s mal ab, ob es bei uns in 40 Jahren auch sowas gibt: Afghanistan Veteran… Ich finde einen Organic Supermarkt mit lecker organic Wraps. Dazu gibts an der Theke die amerikanische Verfassung kostenlos zum Mitnehmen. Das ständige auf und ab von Hilo hoch die Saddle-Road und wieder runter nach Waimea scheint mein Hirn in Mitleidenschaft gezogen zu haben – anders ist die Überlegung nicht zu verstehen: Gegenüber Australien bin ich zeitlich fünf Stunden voraus, allerdings haben die schon morgen… Erst mal ein Kaffee – ok, leider bei Starbucks – hauptsache die Kopfschmerzen sind weg. Weiter gehts Richtung Nordspitze von Big Island. Die Landschaft bleibt saftiggrün, wirkt aber schnell sehr bekannt. Erst mal einen Obstsalat am Wegesrand futtern… Am Ende ist dann die Saloon-Stadt Hawi. Total relaxed aber auch recht kommerziell. Ich wollte sowieso nicht länger bleiben, denn ich muss auch wieder zurück. Die reine Entfernung ist nicht das Problem, es gibt einfach zu viele Geschwindigkeitsbeschränkungen. Trotzdem nehm ich die landschaftlich reizvolle Strecke von Norden über die Ostküste nach Hilo. Die Regenmassen, die hier tagtäglich runterkommen haben dafür gesorgt, dass die Flüsse tiefe Schluchten (Gulges) in den Lavaboden gefressen haben. Die Straßen haben deswegen entweder jede Menge Kurven, das sind die alten, schönen, langsamen zu befahrenden Straßen, oder jede Menge Brücken, das sind die neuen, etwas langweiligeren Straßen. Da muss ich nochmal hin, wenn ich mehr Zeit habe!